Dokumentation der Tagung „Zukunft der Grundsicherung für Arbeitsuchende“

Die Tagung wurde gefördert durch:  Logo MundA 220x74    HBS_Logo_4C_small.pdf

Am 27.10. und 28.10.2022 hat in Berlin die von der Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt geförderte Tagung „Zukunft der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ stattgefunden. An der Tagung haben insgesamt 23 Personen aus dem ganzen Bundesgebiet teilgenommen. Die Teilnehmenden arbeiten in gewerkschaftlichen Erwerbsloseninitiativen, Beratungsstellen für Erwerbslose und prekär Beschäftigte sowie unabhängigen Erwerbsloseninitiativen mit.

Im Mittelpunkt der Tagung stand die Leitfrage: "Bürgergeld statt Hartz IV: Was bedeutet das für unsere Arbeit?". Dazu hat Joachim Rock vom Paritätischen Wohlfahrtsverband einen ausführlichen und engagierten Vortrag gehalten, an den viele Diskussionen anknüpften. Aus seiner Analyse des Kabinettsbeschlusses zum Bürgergeldgesetz geht hervor, dass es wahrscheinlich durch das Bürgergeld einige klare Verbesserungen geben wird, die in der Beratung Erwerbsloser und prekär Beschäftigter zu nutzen sind. Das betrifft z. B. die zweijährige Karenzzeit bei den Kosten von Unterkunft und Heizung, in der diese Kosten in der Regel in voller Höhe übernommen werden sollen, die großzügigere Anrechnung von Erwerbs- und anderem Einkommen und den neuen Ton im Umgang mit Erwerbslosen im Alltag des Jobcenters.

Hier geht es zur offiziellen Stellungnahme des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zum Bürgergeldgesetz, die die ausführliche Kritik von Joachim Rock enthält: FINAL_StN_Gesetz_Buergergeld_Parität_2022.docx

Der Umfang dieser gesetzlichen Änderungen reicht jedoch für die von der Regierung angekündigte "Überwindung von Hartz IV" nicht aus. Vor allem ist die Regelleistung nach wie vor zu gering, um armutsvermeidend zu wirken. Die anvisierte Erhöhung zum 1.1.2023 reicht kaum aus, um den Preisanstieg auszugleichen. Die methodisch höchst fragwürdige Bestimmung der Regelleistung sowie die systematische Untererfassung bei den Stromkosten und bei der Anschaffung von weißer Ware werden nicht beendet, das Existenzminimum nicht ausreichend gesichert und die gesellschaftliche Polarisation zwischen Arm und Reich fortgeführt. Ebenso werden wesentliche weitere Schwachstellen des bisherigen Leistungsrechts nicht oder nicht ausreichend beseitigt - das gilt z. B. in Bezug auf die Sanktionsregelungen, aber auch bezüglich der Zumutbarkeit von Arbeitsangeboten und in Hinblick auf die Personalausstattung der Jobcenter, der Qualifizierung der dort Arbeitenden sowie der zur Verfügung stehenden Mittel zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt einschl. Qualifizierungsmaßnahmen.

Vor dem Hintergrund dieser Analyse  und auf Grundlage der Berichte der Tagungsteilnehmer*innen von der Situation vor Ort sind im aktuellen Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum "Bürgergeld" viele schwerwiegende Schwachpunkte des bestehenden Gesetzesentwurfs zu erkennen, die weiter dringend reformbedürftig sind. Eine Überwindung von Hartz IV ist so nicht möglich. In der Diskussion wird außerdem deutlich, dass das letztlich verabschiedete Gesetz allein schon aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat möglicherweise noch hinter den bisherigen Gesetzesentwurf zurückfallen könnte. Zumal auch von Seiten der CDU, der AfD sowie der Wirtschaftsverbände massiv gegen eine Reihe der bisher von der Ampelkoalition vorgesehenen Verbesserungen agitiert wird und auch in den "sozialen Medien" wie Facebook, Instagram, usw. eine regelrechte Kampagne läuft, wonach sich Arbeit nicht mehr lohnen werde (was objektiv unzutreffend ist). Die Teilnehmer*innen an der Tagung sind sich daher einig, dass es von Seiten der Erwerbsloseninitiativen und Beratungsstellen auch nach dem Mitte Oktober durchgeführten Aktionstag weiterer öffentlichkeitswirksamer Aktionen und Veranstaltungen bedarf, um Falschinformationen zu bekämpfen und die Forderungen nach Verbesserungen für Erwerbslose und prekär Beschäftigte voranzubringen.

Darüber hinaus machen die Berichte der Teilnehmer*innen über die Situation vor Ort sehr deutlich, dass bis weit in die Mittelschicht hinein große Unsicherheit und viel Angst vor den steigenden Preisen vorhanden ist. Das betrifft besonders die Energiepreise. Tatsächlich gibt es in Bezug auf Heizkosten und Strom aber im Rahmen der bestehenden Gesetze sowie der sich abzeichnenden gesetzlichen Veränderungen beim Bürgergeld und anderen Sozialleistungen eine ganze Reihe von konkreten Unterstützungsmöglichkeiten und Hilfen, die wir Erwerbslosen, prekär Beschäftigten, aber auch Teilen der Mittelschicht unterbreiten können. Eine Übersicht dazu findet sich hier: Energiekosten_im_SGB_II.pdf

Das Wissen über solche Eingriffsmöglichkeiten soll verbreitert und an Mann und Frau gebracht werden. Insbesondere durch Nutzung einer neuen Homepage https://energie-hilfe.org, die u. a. Musteranträgen enthält, können konkrete Hilfen bei drohender Energiearmut genutzt werden. Außerdem wollen die Teilnehmer*innen der Tagung auch durch eigene Öffentlichkeitsarbeit gegenüber anderen Erwerbsloseninitiativen, Beratungsstellen und den Betroffenen das erarbeitete Wissen weitergeben.

Hier noch ein Foto von den Teilnehmer*innen während der Tagung: IMG_20221027_141715.jpg