Für Ende 2022 hat die Ampelkoalition die Einführung des lange angekündigten „Bürgergeldes“ in Aussicht gestellt und es als „Überwindung von Hartz IV“ angepriesen. Eine Reform des Systems der Existenzsicherung, die das repressive, Armut und Angst verursachende Hartz IV-System tatsächlich überwinden würde, ist überfällig und wäre sehr zu begrüßen. Leider lässt der vorliegende Gesetzentwurf jedoch erhebliche Zweifel aufkommen, ob dieses Ziel mit dem "Bürgergeld" erreicht werden wird. Doch noch ist nichts entschieden. Deshalb sollten Erwerbslose und prekär Beschäftigte jetzt aktiv werden und sich am bundesweiten Aktionstag des Bündnisses "AufRecht bestehen" am 14.10.2022 beteiligen: Für eine armutsfeste und repressionsfreie Grundsicherung - Macht mit!
Das bundesweite Bündnis "AufRecht bestehen" hat eine Arbeitshilfe zu den sozialrechtlichen Möglichkeiten der Übernahme der aktuell geradezu explodierenden Energiekosten erstellt, die in der Beratung sehr nützlich sein kann: Handreichung_Übernahme-Energiekosten_19.08.2022.pdf
Das Bündnis „AufRecht bestehen“ hat am 19.8.2022 in Wolfsburg eine Stellungnahme zur Einführung eines Bürgergeldesverabschiedet, mit dem die Bundesregierung die Grundsicherung für Arbeitsuchende neu regeln will. Das Bündnis verschiedener Erwerbsloseninitiativen und Beratungsstellen, welches sich seit Jahren kritisch mit dem bestehenden SGB II und seiner Umsetzung in den Jobcentern auseinandersetzt, kann nicht erkennen, dass durch den vorliegenden Gesetzesentwurf zur Einführung des „Bürgergeldes“ das bestehende Hartz IV-System überwunden wird. Insbesondere fehlt es dafür an der Anhebung der Regelleistung auf ein Niveau, mit dem eine menschenwürdige Existenzsicherung und ein Mindestmaß an sozio-kultureller Teilhabe sichergestellt werden kann. Auch auf das Problem des massiven Preisanstiegs der letzten eineinhalb Jahre, besonders bei den Energiepreisen, findet der vorgelegte Gesetzesentwurf keine überzeugenden Antworten, die die Versorgung von Arbeitslosen und prekär Beschäftigten mit Strom und Heizenergie gewährleisten könnten. Daneben drängt sich für uns eine Reihe weiterer Kritikpunkte auf, beispielsweise in Bezug auf die vorgesehene Sanktionsregelung oder fortbestehender Zugangsbarrieren zu den Leistungen des SGB II.
Das Bündnis „AufRecht bestehen“ plant anlässlich der Diskussion um das geplante Bürgergeld sowie der explodierenden Energiekosten einen Aktionstag am 14. Oktober 2022.
Aktuell erarbeitet das Bündnis ein Forderungspapier auf Grundlage bereits veröffentlichter Forderungen zur Überwindung von Hartz IV („Hartz IV endlich ohne Wenn und Aber abschaffen“ von Juni 2021) und zur Energiearmut („Energieversorgung ist ein elementarer Bestandteil menschlicher Existenzsicherung“ von April 2022). Voraussichtlich können wir Ende August das fertige Forderungspapier, einen Aufruf zum Aktionstag sowie weitere Infos zur Verfügung stellen.
Das Bündnis „AufRecht bestehen“ fordert im Wesentlichen
ein menschenwürdiges Existenzminimum mit mindestens 600 Euro Regelsatz (bei Herausnahme von Strom und „weißer Ware“ aus dem Regelsatz);
einen regelmäßigen und zeitnahen Inflationsausgleich;
die Übernahme der tatsächlichen Wohnkosten, nicht nur in den ersten beiden Jahren;
die Übernahme der tatsächlichen Energiekosten (Heizung und Strom);
Extraleistungen für die Ersatzbeschaffung von energiesparenden Haushaltsgeräten;
ein gesetzliches Verbot von Strom-und Gassperrungen, wenn Privathaushalte betroffen sind;
die Stärkung der Arbeitslosenversicherung und Abschaffung des Systems SGB II („Hartz IV“) mit Arbeitslosengeld für die gesamte Dauer der Erwerbslosigkeit;
Abschaffung der Sanktionen und der Sperrzeiten;
mehr und bessere Qualifizierungen.
Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr die Forderungen in die politischen Diskussionen vor Ort tragt.
Die Spatzen pfeifen mittlerweile von den Berliner Dächern, dass nach der Sommerpause wohl der parlamentarische Prozess zur schrittweisen Einführung eines "Bürgergeldes" beginnen soll, mit der die Ampelkoalition das bisherige SGB II ("Hartz IV") ersetzen will. Die KOS nimmt das zum Anlass, um das geplante "Bürgergeld" aus Sicht von Erwerbslosen und prekär Beschäftigten zu untersuchen. Ein Gesetzesentwurf ist bisher nicht öffentlich bekannt, so dass sich der Vergleich auf die in der Koalitionsvereinbarung genannten Eckpunkte bezieht.
Das bundesweite Erwerbslosenbündnis"AufRecht bestehen" und die Nationale Armutskonferenz haben in einer Pressekonferenz am 8.4.22 darauf hingewiesen, dass die in den letzten Monaten drastisch gestiegenen Preise, besonders bei Lebensmitteln, bei Heizkosten und Strom, den Lebensunterhalt für immer mehr Menschen unbezahlbar machen. Nötig seien nun gezielte Hilfen für arme Haushalte. Die bisher geplanten Maßnahmen der Bundesregierung seien höchstens ein Tropfen auf den heißen Stein und würden nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Das reiche bei weitem nicht aus.
"Während Erwerbstätige einen Energiekostenzuschlag von 300 Euro erhalten, bekommen Leistungsberechtigte in der Grundsicherung gerade einmal 200 Euro", kritisiert Jürgen Schneider von der Nationalen Armutskonferenz. Das werde in den wenigsten Fällen ausreichen, die steigenden Energiekosten aufzufangen. Viele Erwerbstätige seien dagegen nicht unbedingt auf die Zahlung angewiesen.
Die Erfahrungen mit Energieschulden in der Beratungspraxis der Selbsthilfeorganisationen sind laut Helga Röller vom Frankfurter Arbeitslosenzentrum drastisch. "In den Fallbesprechungen mit dem Beratungsteam häufen sich die Fälle, wo Ratsuchende die eingehenden Rechnungen nicht mehr bezahlen können", sagt Röller. Strom- und Gassperren seien die Folge.
Ulrich Franz von der gewerkschaftlichen Arbeitslosengruppe im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Bonn/Rhein-Sieg ruft zu einer Übernahme der Nachforderungen der Energieversorger durch Jobcenter und Sozialämter auf. Diese sollten zudem erhöhte Abschläge bei den Heizkosten schnell und ohne Probleme berücksichtigen, erklärtt er angesichts drastischen Preissteigerungen seit Beginn des Krieges in der Ukraine. Auch beim Strom müssten die Stromkosten zudem aus dem Regelsatz der Grundsicherung herausgenommen werden. Stattdessen sollten die Behörden angemessene Stromkosten zusätzlich zur Regelleistung übernehmen, als Bestandteil der Kosten der Unterkunft.
Die Hartz-IV-Regelsätze liegen weit unter dem tatsächlichen Existenzminimum. Unvorhergesehene Kostensteigerungen lassen sich nicht ausgleichen. In der Corona-Pandemie sind die Lebenshaltungskosten laufend gestiegen. Inflation und Energiepreise wachsen durch den Ukraine-Krieg weiter. Die vom Bundesverfassungsgericht 2014 geforderte Anpassung des Regelsatzes ist nicht nur für Strom überfällig. Die geringen Einmalzahlungen gleichen die Kostenexplosion nicht aus. Allein Lebensmittel haben sich 2021 gegenüber dem Vorjahr um 4,6 Prozent verteuert. Immer mehr Haushalte können ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen. Der Strom-Betrag im Regelsatz von rund 36 Euro entspricht laut Stromspiegel Deutschland einem extrem geringen Verbrauch. Einkommensarme können aber z.B. nicht einen Stromfresser gegen einen energieeffizienten Kühlschrank austauschen.
Das Bündnis "AufRecht bestehen" fordert daher mit Unterstützung der Nationalen Armutskonferenz (nak) für Einkommensarme und Grundsicherungsbeziehende:
Übernahme der Energiekosten für alle existenziellen Bedürfnisse;
unbürokratische Erstattung erhöhter Abschläge und Nachzahlungen;
Verbot von Strom- und Gassperrungen für Privathaushalte;
Erhöhung des Regelsatzes auf das tatsächliche Existenzminimum;
Einmalzahlung als Ausgleich für Preissteigerungen und Mehrausgaben müssen hinreichend bemessen sein und dürfen eine notwendige zeitnahe Erhöhung der Regelbedarfe nicht ersetzen;
Übernahme der Anschaffungskosten für energiesparende Geräte.
Der Koordinierungsausschuss gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOA) hat sich bei seinem Treffen am 24.3. und 25.3.2022 in Berlin auch mit dem brutalen Krieg in der Ukraine beschäftigt und dazu unter dem Titel "Die Waffen nieder - nein zum Krieg" klar Stellung genommen. Der KOA verurteilt den russischen Angriff auf die Ukraine. Er verlangt einen umfassenden Waffenstillstand, den Rückzug aller Truppen und ein Zurück an den Verhandlungstisch. Entsprechend sollten auch die politischen Reaktionen des Westens ausfallen, weiterer Hass und Konfrontation sollten vermieden werden. Wir alle sollten außerdem gemeinsan gegen den Krieg und für eine Politik der gemeinsamen Sicherheit auf die Straße gehen, fordert der KOA.
Die KOS hat ihre Flyer mit Informationen zu verschiedenen Themen rund um Arbeitslosengeld, Alg II ("Hartz IV") und zur Sozialhilfe zum Jahresanfang umfassend aktualisiert. Ihre findet dei frisch renovierten Ansichtsexemplare sowie Nur-Text-Fassungen der Flyer im Downloadbereich.
Die Arbeitsbelastung hat in den letzten Jahren in vielen Branchen weiter zugenommen. Gleichzeitig haben die Rentenreformen der letzten Jahrzehnte die Altersgrenze für den regulären Renteneintritt nach hinten verschoben.Längst nicht alle Beschäftigten erreichen das gesetzliche Renteneintrittsalter. Viele Menschen mit gesundheitlichen Problemen gehen früher in Rente und bezahlen das mit lebenslangen Rentenabschlägen. Die KOS hat vor diesem Hintergrund eine digitale Broschüre mit Orientierungshilfen "zwischen Krankengeld, Arbeitslosengeld, Hartz IV und Rente" verfasst. Die Broschüre zeigt die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten auf, die Personen haben, die mit gesundheitlichen Problemen kämpfen und für die sich die Frage stellt, wie es z. B. nach längerer Erkrankung weitergehen kann.