Versteckte Kürzungen bei den Ärmsten stoppen - rote Linie bei Hartz IV und Co.!

Breites Bündnis fordert mindestens Inflationsausgleich

Ob bei Hartz IV oder Grundsicherung im Alter: Das Geld reicht hinten und vorne nicht. Für eine ausgewogene, gesunde Ernährung und ein Mindestmaß an sozialer, politischer und kultureller Teilhabe müssen die Regelsätze deutlich auf mindestens 600 Euro steigen - dafür hat sich ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis bereits vor Monaten mit Nachdruck eingesetzt.

Stattdessen drohen Betroffenen jetzt versteckte Kürzungen am Existenzminimum: Die Preissteigerungen für Lebensmittel und andere Produkte ziehen an, die für Januar 2022 geplante magere Anpassung der Regelsätze hält mit der Inflation nicht Schritt. Die Folge: Den Ärmsten in unserer Gesellschaft stehen reale Kaufkraftverluste bevor. Ausgerechnet diejenigen, die am wenigsten haben, drohen weiter abgehängt zu werden.

Mit der Forderung „Versteckte Kürzungen bei den Ärmsten stoppen – rote Linie bei Hartz IV und Co.!” wendet sich nun ein breites Bündnis an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil: „Es braucht eine rote Linie bei existenzsichernden Leistungen wie Hartz IV. Preissteigerungen müssen immer und zeitnah mindestens ausgeglichen werden. Es gilt umgehend zu handeln, um die versteckten Kürzungen bei den Ärmsten in unserer Gesellschaft zu stoppen”, heißt es in dem Appell, der von 15 bundesweiten Verbänden und Organisationen aus der Zivilgesellschaft getragen wird.

Neues Rechtsgutachten: Hartz-IV-Regelsatz verfassungswidrig

Nach einem aktuellen Gutachten der Rechtswissenschaftlerin Professorin Anne Lenze ist die zum 1.1.2022 geplante sehr geringe Erhöhung der Regelsätze außerdem verfassungswidrig. Angesichts der Entwicklung der Lebenshaltungskosten verpflichte das Grundgesetz den Gesetzgeber, die absehbare Kaufkraftminderung für Grundsicherungsbeziehende abzuwenden. In dem Rechtsgutachten wird u.a. auf die zurückliegenden einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bezug genommen, das 2014 feststellte, dass die Regelbedarfe bereits an der untersten Grenze dessen liegen, was verfassungsrechtlich gefordert ist. Die niedrige Anpassung der Regelbedarfe zum 1.1.2022 in Verbindung mit der anziehenden Inflation läute nun eine “neue Stufe der Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums” ein, so das Ergebnis der juristischen Prüfung, die der Paritätischen Wohlfahrtsverband in Auftrag gegeben hat. Sollte der Gesetzgeber nicht aktiv werden, um die absehbaren Kaufkraftverluste abzuwenden, verstoße er damit gegen die Verfassung, so das Fazit der Rechtswissenschaftlerin.

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