Beispielhafte Ansätze: Vorgehen in Oldenburg, Herford, Jüterbog, Norden, Wilhelmshaven

Beim letzten "Kampagnenrat" haben örtliche Initiativen ihre verschiedenen Vorgehensweise dargestellt. Wir dokumentieren die unterschiedlichen Ansätze hier kurz als Anregung für andere Initiativen:

Oldenburg: Betroffene beteiligen, Verknüpfung mit Beratung / Begleitung

Wie bereits berichtet, konnte die Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO) einen Riesenerfolg erzielen: Die ALSO hat es geschafft, dass in Oldenburg ein kommunaler Fonds (400.000 € aufs Jahr gerechnet) eingerichtet wird, aus dem Schulmaterialien finanziert werden.

Charakteristisch für die Arbeit der ALSO war u.a., dass betroffene Eltern einbezogen und beteiligt wurden sowie die Kombination aus politischer Arbeit (Forderung nach dem kommunalen Fonds) mit Beratung und Unterstützung von ALG-II-Berechtigten. Die Erfahrungen aus den Aktivitäten der rechtlichen Gegenwehr wurden wiederum für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt.

Hier die wesentlichen Aktivitäten zum Vorgehen der ALSO in Stichworten:

  • Beratung: Thema "ALG II und Schulbedarf" - mit der Empfehlung Anträge auf zusätzliche, nicht rückzahlbare Beihilfen bei der ARGE zu stellen -, ist seit 2005 Teil der Beratungspraxis der ALSO (Info-Flugblatt, Musteranträge)
  • Plakatierungsaktion im Sommer 2006 (100 DIN A 1 Plakate im Stadtgebiet): Auforderung Anträge zu stellen, politische Forderung nach kommunalem Fonds verbunden mit Einladung zur Infoveranstaltung
  • Infoveranstaltung (13.7.2006) für betroffene Eltern: Rechtliche Information; "Werbung" für Anträge auf zusätzliche Beihilfen; , Vereinzelung überwinden: Schwäche der Einzelnen in kollektive Stärke wandeln.
  • Unterstütung und Hilfen für AntragstellerInnen (es werden rund 300 Anträge auf Beihilfen für Schulsachen bei der ARGE gestellt)
  • Podiumsdiskussion (18.7.2006) mit KommunalpolitikerInnen (Einfordern von Stellungnahmen zu kommunalen Handlungsmöglichkeiten)
  • Pressegespräche (21.8., 1.9. 2006)
  • Gespräch mit ARGE-Leitung
  • Broschüre "Hartz IV und die Schulkosten"

Ein Vorgehen wie in Oldenburg setzt voraus, dass die Initiative über "Beratungskompetenz" verfügt. Wo das nicht gegeben ist, können aber durchaus einzelne Elemente wie die Info-Veranstaltung für betroffene Eltern oder die Podiumsdiskussion mit Kommunalpolitikern übernommen werden.

Bonn: Stärke gewinnen über Bündnisse

Die gewerkschaftliche Arbeitslosengruppe in der DGB Region Bonn-Rhein-Sieg hat sich zum Ziel gesetzt, kommunale Extra-Leistungen für Hartz-IV-Schulkinder durchsetzten zu wollen. Das Besondere an der Bonner Herangehensweise ist, Bündnispartner anzusprechen und mit Ihnen gemeinsam eine konkrete Forderung für Bonn zu erarbeiten. Es wurde also nicht eine Forderung gestellt, für die man dann Bündnispartner als Unterstützer sucht, sondern umgekehrt: In einem ersten Schritt wurden Kontakte geknüpft und Bündnispartner zur Überwindung von Kinderarmut einer reichen Stadt wie Bonn gefunden. In einem zweiten Schritt soll nun im April in dem Bündnis gemeinsam getragene Lösungen zum Thema „Hartz IV und Schule“ verabredet werden.

Hier die wichtigsten Etappen:

  • Bei der Verleihung des Preises „Saure Gurke“ an Müntefering wurden die unzureichenden Regelleistungen für Kinder zum Thema gemacht (Information und Sensibilisierung)
  • Kontaktaufnahme mit potenziellen Bündnispartnern und Einladung zu einem gemeinsamen Austausch zum Thema Kinderarmut in Bonn.
  • Zu Beginn dieser Veranstaltung mit Verbänden und den im Stadtrat vertretenen Parteien wurde als gemeinsame Grundlage für das intensive Gespräch die bedrückenden Fakten der Kinderarmut in Bonn und die massiven Auswirkungen insbesondere wegen Hartz IV auf die Bonner Kinder dargestellt (= Handlungsbedarf wurde offen gelegt, dem sich dann „eigentlich“ niemand entziehen kann).
  • Es wurde Konsens darüber hergestellt, dass der Beschluss des Bonner Stadtrates, erneut die Schulbücher zu finanzieren zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber bei weitem nicht ausreichend sei und es auch für den weiteren Schulbedarf (Schulranzen, Farbkasten, Taschenrechner, Geodreieck, Arbeitsmaterialien usw.) eine kommunale Lösung geben muss.
  • Ergebnis: Vereinbarung eines „Bonner Bündnis gegen Kinderarmut“ das am 17. April einen runden Tisch zur Kinderarmut veranstaltete.
  • Mittlerweile haben sich - auf Initiative der DGB-Erwerbslosengruppe - viele Verbände und Vereine dem Bündnis angeschlossen. Am 13. Juni will sich das Bündnis in einer Pressekonferenz vorstellen und konkrete Forderungen (insbesondere Schulmittelfonds) öffentlich machen.
  • Am 13. Juni berät der Stadtrat über einen Antrag zur Einführung des Schulfonds bereits für das neue Schuljahr. Der Antrag wurde von der DGB-Erwerbslosengruppe erarbeitet und initiiert.

Herford: „Stein des Anstoßes“

In Herford hat "Maßarbeit" das Thema  Hartz IV und Kinderarmut anhand eines „Stein des Anstoßes“ öffentlich gemacht. Es wurde ein Findling auf einem öffentlichen Platz abgelegt und die Kontroverse um den "illegalen" Stein genutzt, um auf das Thema Arbeitslosigkeit und nun aktuell Hartz IV und Kinderarmut aufmerksam zu machen.

Der Stein wurde mit einer Plakate "Arbeitslosigkeit - Alternativen denken" beschriftet, eine "Andacht" am "Stein des Anstosses" abgehalten sowie eine Installation mit Schaufensterpuppen präsentiert, an denen der Bedarf von Kindern bei Anziehsachen dargestellt wurde.

Bericht aus Herford von Kerstin Künsebeck (Maßarbeit Herford) [Interner Link].

 

Jüterbog sowie Norden: Taten statt Warten - Kommunalpolitiker in die Pflicht nehmen

Die Initiativen in Jüterbog (Erwerbslosen-Arbeitskreis der IG Metall Ludwigsfelde,  "Verein für soziale Selbstverteidigung - Jüterbog" in Gründung, ehemals "Bündnis gegen Sozialabbau - Jüterbog")  sowie in Norden (verdi-Erwerbslose) haben ihre Forderungen nach einem kommunalen Fonds für Schulsachen in offenen Briefen an ihre Kreistags- bzw. Stadtrat-Abgeordneten gestellt.

Vorausgegangen waren jeweils Aktivitäten, mit denen das Problem unzureichender Hartz IV-Leistungen ins öffentliche Bewusstsein gerückt wurden (Veranstaltung in Jüterbog, Flugblatt-Verteilaktionen in Norden).

Fotos, Presseartikel und mehr zu den Aktivitäten in Norden findet ihr hier:

[Link zur entsprechenden Internetseite des ver.di-Bezirks Weser Ems]

Das Forderungsschreiben aus "Jüterbog" an den Kreistag Teltow-Fläming findet Ihr hier [PDF-Dokument] , hier einen Bericht mit Fotos von Michael Maurer [PDF-Datei] sowie hier einen Presseartikel mit Foto zur Aktion [jpg-Datei].

 

Wilhelmshaven: Personalisierung, Spott und Ironie

In Wilhelmshaven laufen auch vielfältige Aktivitäten (u.a. Broschüre "Reiches Land - Arme Kinder), mit dem Ziel, einen kommunalen Fonds für Schulsachen durchzusetzen.

Anlässlich von Projektwochen der VHS und anderer zum Thema "Kinderarmut" setzten einige Aktive auch auf die Mittel "Personalisierung", Spott und Ironie.

Hintergrund: Das Thema Hartz IV wurde bei den Projektwochen zur Kinderarmut schlicht unterschlagen und die örtliche SPD-Bundestagsabgeordnete, die für die Hartz-Gesetze gestimmt hatte, war Schirmherrin der Veranstaltungsreihe.

Dagegen protestierten Erwerbslose mit einem Plakat: Es zeigte ein bekanntes Wahlkampf-Porträt der SPD-Abgeordneten mit der Aufschrift "Kinderarmut drastisch verschärft durch Hartz IV" [Plakat-Motiv zur Ansicht, PDF] . Ein ähnliches Plakat wurde auch bei der Eröffnung des Projektwochen eingesetzt [Plakat-Motiv 2 zur Ansicht, PDF].

Zusätzlich wurden Flyer [Ansichtsexemplar, PDF] verteilt, die im Stil des Original-Programms der Veranstaltung aufgemacht waren, in denen aber Hartz IV zum Thema gemacht wurde.