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„ALG 2“, „Bürgergeld“ oder „Neue Grundsicherung“? Ein gutes Leben für alle statt Ausgrenzung und Armut!

Seit einiger Zeit wird verkündet, die von Vielen spätestens seit der Corona-Pandemie als solche empfundene Dauerkrise sei endlich überwunden. Angesichts dieser Nachrichten reiben sich viele Menschen verwundert die Augen. An der Supermarktkasse, beim Blick auf die Stromrechnung oder bei der Nebenkostenabrechnung ist davon kaum etwas zu spüren. Für viele Menschen reicht das ihnen zu Verfügung stehende Geld noch immer in keiner Weise, um damit über den Monat zu kommen. Dies betrifft nicht zuletzt die 15,2 Prozent der Beschäftigten, die nach wie vor gezwungen sind, im Niedriglohnsektor zu arbeiten und all jene, die auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind.

Die Einführung des Bürgergelds 2023 wurde von der Politik als erhebliche Verbesserung gegenüber dem  menschenfeindlichen Hartz IV-System gefeiert, gar von seiner „Überwindung“ war die Rede. Die „Überwindung“ entpuppte sich im Wesentlichen als ein neues Etikett auf dem alten System, garniert mit einigen Verbesserungen, die zum Teil im Verlauf der konkreten Ausgestaltung schon wieder  zurückgenommen oder abgeschwächt wurden.

Immerhin stieg der Regelsatz im Jahr 2023 für Alleinstehende um 53 Euro, nachdem er in den Vorjahren nur um Kleckerbeträge erhöht worden war. Er blieb damit aber immer noch deutlich hinter der Entwicklung der Inflation zurück. Im Januar 2024 wurde der Regelsatz noch einmal um 61 Euro auf nunmehr 563 Euro angehoben. Auch diese Regelsatzerhöhung hat aber nicht ausgereicht, um den starken Preisanstieg seit August 2021 auszugleichen. Von dem aktuellen Regelsatz, der seit Jahren mit statistischen Tricks kleingerechnet wird, lässt sich nach wie vor kein auch nur annähernd  auskömmliches Leben bestreiten. Das hindert die Oppositionsparteien CDU und AfD und Teile der Ampelkoalition selbst, namentlich die FDP, jedoch nicht daran, seit Monaten gegen die Höhe der Bürgergeldleistungen zu Felde zu ziehen. Kaum ein Tag vergeht ohne Hetze gegen „faule Arbeitslose“, die von fleißigen Arbeitnehmer*innen miternährt und vom als „Bedingungsloses Grundeinkommen“ geschmähten Bürgergeld quasi in die soziale Hängematte getrieben würden.

Mit konstruierten Fallbeispielen und falschen Zahlen soll der Öffentlichkeit weisgemacht werden, dass sich angesichts der üppigen Sozialleistungen Arbeit „nicht mehr lohne“ und ein Masseneintritt bisheriger Arbeitnehmer*innen in den Bürgergeldbezug unmittelbar bevorstehe. Diese bizarre Hetzkampagne gegen von Armut betroffene Menschen hält nun seit Monaten an und ist mit dem CDU-Konzept einer „Neuen Grundsicherung“ an ihrem vorläufigen Höhepunkt angelangt.

Geplantes Sanktionsregime „Neue Grundsicherung“

Kern des im März vorgestellten Konzepts ist vor allem die massive Ausweitung der Sanktionsmöglichkeiten. So soll grundgesetzwidrig „Totalverweigerern“, die die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit ablehnen, die Unterstützung vollständig gestrichen werden können, da in diesen Fällen davon ausgegangen werden müsse, dass keine Hilfebedürftigkeit vorliege. Auch das mehrmalige Versäumen von Terminen beim Jobcenter soll eine vollständige Streichung der Grundsicherung nach sich ziehen können. Abgesehen davon, dass es nach Auskunft des Paritätischen Gesamtverbandes so gut wie keine „Totalverweigerer“ gibt, übertreffen die Planungen der CDU in ihrer Brutalität die Sanktionsmöglichkeiten des Bürgergeldes noch einmal deutlich. Diese waren im Zuge des „Haushaltskonsolidierungsgesetzes“ erst im März verschärft worden und bieten ebenfalls die Möglichkeit einer Totalsanktion, allerdings mit zeitlicher Begrenzung auf zwei Monate und unter Beibehaltung der Mietzahlungen. Das Konzept der „Neuen Grundsicherung“ sieht außerdem vor, die im Bürgergeld verankerte einjährige Karenzzeit beim Schonvermögen abzuschaffen und dieses grundsätzlich abzusenken. Außerdem soll die jährliche Anpassung des Regelsatzes „begrenzt“ werden. Die CDU hat bereits angekündigt, ihren sozialpolitischen Horrorkatalog zu einer der zentralen Säulen ihres Wahlkampfes für die Bundestagswahl 2025  machen zu wollen.

Milliardenschwere Aufrüstung und Abbau sozialstaatlicher Errungenschaften

Wir müssen also davon ausgehen, dass uns die Hetze gegen Erwerbslose auch in den nächsten Monaten begleiten wird. Die Richtung ist dabei eindeutig: Es geht darum, Menschen mit und ohne Arbeitsplatz gegeneinander auszuspielen und aufzuhetzen und darüber hinaus um den grundsätzlichen Abbau sozialstaatlicher Errungenschaften. Immer unverhohlener wird von Vertreter*innen einschlägiger unternehmernaher Lobbyverbände und Reichen-Clubs verkündet, dass sich Deutschland einen Sozialstaat im Grunde nicht mehr leisten könne, dass „Wehrfähigkeit“ und die „Verteidigung der Freiheit“ nun Vorrang gegenüber Sozialpolitik haben müsse. Die Inszenierung einer Neiddebatte gegenüber Menschen, die mit 563 Euro Bürgergeld ihr Leben bestreiten müssen, dient dem Zweck, von sehr naheliegenden Möglichkeiten abzulenken, wie der Haushalt konsolidiert werden könnte.

Abgesehen davon, dass für Rüstung und Militär nahezu unbegrenzte Mittel im mehrstelligen Milliardenbereich vorhanden zu sein scheinen, die in anderen Bereichen (Bildung, Soziales, Gesundheit) gebraucht würden, scheint der Gedanke, Reiche für die Gesellschaft in die Pflicht zu nehmen, tabu zu sein. Immerhin besitzen die fünf reichsten Familien in Deutschland mehr Vermögen als die ärmere Hälfte der Bevölkerung zusammen. Doch statt eine Reichensteuer oder auch nur eine konsequente Verfolgung der „Steuervermeidung“ genannten Steuerhinterziehung in Erwägung zu ziehen, sieht der Bundeshaushalt für 2024 und auch die nächsten Jahre massive Einschnitte in den Bereichen Soziales, Gesundheit und Bildung vor.

Die Unternehmen in der Bundesrepublik könnten ja auch einfach mehr Lohn zahlen und bessere Arbeitsbedingungen für alle Lohnabhängigen schaffen, wenn sie denn neues Personal brauchen sollten. Davon hätten dann auch alle Arbeitnehmer*innen und ihre Familien etwas. Doch das wollen sie nicht. Einfacher und billiger ist es wohl, gegen Sozialleistungen zu Felde zu ziehen, auf die wir alle angewiesen sind, wenn z. B. der Betrieb Pleite macht oder jemand aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr im erlernten Beruf arbeiten kann.

Die Zukunft des Sozialstaats ist in ernsthafter Gefahr. Die Kräfte, die an seiner Demontage arbeiten, werden stärker. Ein Angriff auf die sozialstaatlichen Errungenschaften ist ein Angriff auf alle, die in diesem Land nicht zu den Reichen gehören. Sie können deshalb auch nur gemeinsam abgewehrt werden. Hierzu ist es dringend erforderlich, sich zu organisieren und für die eigenen Interessen einzutreten. In der Gewerkschaft, im Stadtteil, im Betrieb!

Wir fordern:

  • Sofortige Erhöhung der Grundsicherungsleistungen für alle hier Lebenden und Übernahme der tatsächlichen Wohnkosten sowie der Kosten für Energie in voller Höhe
  • Abschaffung aller Sanktionen
  • Rücknahme aller aktuellen Kürzungen im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich
  • Eine Kindergrundsicherung, die alle Kinder und Jugendlichen wirksam aus der Armut holt
  • Deutliche Erhöhung des Mindestlohns und eine armutsfeste Mindestrente
  • Ausbau der Daseinsvorsorge statt Kürzung und Privatisierung
  • Förderung und Schaffung bezahlbaren Wohnraums, insbesondere von Sozialwohnungen, und einen wirksamen Mietenstopp